Everest (US 2015)

Selten hat mich ein Buch so begeistert wie Jon Krakauers "In eisigen Höhen", die Vorlage zu diesem Bergsteigerdrama - und selten hat mich ein Film so enttäuscht wie "Everest". Das Buch habe ich an einem Stück durchgelesen, so sehr hat mich die eindringliche Schilderung des Dramas am Everest gefesselt. Entsprechend begeister war ich, als der Film angekündigt wurde. Das Ergebnis ist leider, nun ja, ein relativ halbgares Drama mit tollen Bildern. Die Figuren bleiben ausnahmslos blass - angesichts der Tatsache, dass man hier die letzten Stunden real existierender Personen nachzeichnet ist das nicht nur dramaturgisch sträflich. Auch von Krakauers minutiöser Rekonstruktion der Vorgänge, die zu der Katastrophe geführt haben, ist nicht viel übrig geblieben. Für mich erweckt der Film den Eindruck, als sei die Katastrophe kaum vermeidbar gewesen und das Aufziehen der Schlechtwetterfront großes, kaum vorhersehbares Pech. Dass es eine Vielzahl kleiner, in der Summe aber verheerender Fehlentscheidungen war, die letztlich zum Tod so vieler Menschen geführt hat, kommt im Film kaum zur Geltung. Auch das ist sehr bedauerlich, denn so nimmt der Film dem Drama einen Großteil seiner Wucht. So bleibt "Everest" am Ende nur ein durchschnittliches Drama mit tollen Bergaufnahmen. Wer mehr will, dem empfehle ich unbedingt die Buchvorlage!

Es fällt uns schwer, diesem Film gerecht zu werden. Betrachtet man das rein handwerkliche, gibt es nichts grösseres, was man dem Film vorwerfen kann. Die Schauspieler sind gut, die Regie ist gut, die dramatischen Ereignisse werden straff gezeigt und die Landschaftsaufnahmen kommen auch nicht zu kurz. Dennoch hinterliess uns der Film mit einem merkwürdigen Gefühl und Unbehagen: Es ist eben etwas anderes, ob man eine wahre Geschichte schaut, oder eine fiktive. Die am Ende des Abends von uns formulierte Zusammenfassung "Schau einigen Menschen beim langsamen, qualvollen Sterben in atemberaubender Landschaft zu - in imax 3D!" illustriert womöglich das Dilemma: Was gedankenlos betrachtet einfach nur ein spannendes Bergdrama in spektakulären Bildern ist, ist letzten Endes eben weit mehr als das: Es ist eine wahre Geschichte vom Tod. Wer das gut wegstecken kann, den wird Everest womoeglich begeistern. Stark empathisch veranlagte Personen werden eventuell eher mitleiden und das Kino bedrückt verlassen.

Es gibt viele schöne Landschaftsaufnahmen. Erzählt werden die Ereignisse von 1996 auf dem Everest, es ist keine Dokumentation, entscheidende Teile wurden zusammengeschnitten. Die Charaktere erhalten eine gute Besetzung, insgesamt eine gute Umsetzung des Themas. In den handlungsarmen Pausen werden schöne Landschaftsaufnahmen gezeigt.